Mit verschiedenen Massnahmen will der Bundesrat die Verkehrsverlagerung stärken. Damit die Neue Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT) wirkt, soll vor allem der Schienengüterverkehr gefördert werden. INFRAS hat das UVEK dabei unterstützt, die Verlagerungswirkungen der NEAT abzuschätzen und Handlungsbedarf zu identifizieren.
Mit der Studie «Verkehrsentwicklung im alpenquerenden Güterverkehr infolge Fertigstellung der NEAT» hat INFRAS eine bereits im Jahr 2012 erstellte Arbeit aktualisiert. Diese nimmt insbesondere Erkenntnisse auf, die nach Inbetriebnahme des Gotthard-Basistunnels ab 2017 gewonnen wurden. Das Review zeigt: Damit die NEAT (Neue Eisenbahn-Alpentransversale) ihre volle Wirksamkeit erzielen kann, bedarf es weiterer Anstrengungen – insbesondere zur Erhöhung der Produktivität im Schienengüterverkehr. Die Studienergebnisse im Überblick:
- Die im Jahr 2012 angenommene Fahrzeitreduktion zwischen Basel und Chiasso/Luino in Höhe von 60 Minuten wird sich nicht vollständig realisieren lassen. Im Durchschnitt wird diese Fahrzeitreduktion neu auf 45 Minuten eingestuft.
- Die Einsatzkonzepte für Lokomotiven mit Fokussierung auf Einfachtraktion werden sich nicht durchgehend realisieren lassen. Die Zugsgewichte befinden sich im Grenzbereich zwischen Einfach- und Doppeltraktion, sodass je nach Strecke (Steigungen), Trassenanforderung (Beschleunigung, Geschwindigkeit) und Betriebskonzept (Doppel- vs. Einfachtraktion) entsprechend umdisponiert wird.
- Aus diesen Anpassungen ergeben sich Implikationen für die «Produktion» einer Sendung im UKV (unbegleiteter kombinierter Verkehr) durch die Schweiz: Die in den Betriebskosten abgebildeten Traktionskosten verändern sich, sodass sich die Betriebskosten nicht mehr um 30 Prozent sondern um 20 Prozent reduzieren werden. Die mit den Fahrzeiten verbundenen Personalumläufe beeinflussen die Personalkosten, welche nicht mehr um 35 Prozent, sondern um 20 Prozent sinken werden.
- Das Review zeigt aber auch einen Punkt auf, bei dem die Erwartungen übertroffen wurden: Der Energiebedarf im Basistunnel fällt geringer aus als seinerzeit eingeschätzt. Damit reduzieren sich die Energiekosten (Fahrstrom) zwischen Basel und Chiasso/Luino um 15 Prozent statt um nur 10 Prozent.
Die Ergebnisse der aktualisierten Studie bestätigen grundsätzlich die bereits im Jahr 2012 erwarteten Verlagerungseffekte. Allfällige Verschiebungen bei den Produktivitätseffekten – statt minus 10 Prozent neu noch minus 8 Prozent auf der entscheidenden Gesamtrelation im Nord-Süd-Verkehr – werden aus heutiger Sicht keine signifikanten Auswirkungen auf die mit der NEAT angestrebten Verlagerungen im alpenquerenden Güterverkehr haben. Allerdings: Bei der Qualität respektive Zuverlässigkeit sind massive Verbesserungen notwendig. Würde die derzeitige Verspätungssituation nicht abgestellt, dann wären alle genannten NEAT-Effekte umsonst. Die Ursachen für Verspätungen sind vielfältig: grenzüberschreitende Abstimmung der Fahrpläne, Baustellen und deren Planung und Koordination, Personal- und Lokomotivressourcen der Traktionäre, Kapazitäten in den Terminals etc.
Insgesamt lässt sich feststellen, dass die NEAT nach wie vor einen bedeutsamen Verlagerungseffekts erwarten lässt: Ohne die NEAT würde sich der kombinierte Verkehr nicht mehr markant weiterentwickeln können und bei ca. 1.1 Mio. Sendungen «gedeckelt» bleiben. Mit der NEAT und bei optimalen Rahmenbedingungen, insbesondere zur Zuverlässigkeit, erhöht sich die Sendungsanzahl um ca. 35 Prozent. Gleichzeitig reduziert sich die Fahrtenanzahl im alpenquerenden schweren Strassengüterverkehr um weitere 18 Prozent (ca. 201'000 Fahrten) gegenüber 2018.
Weitere Informationen finden Sie auf der Webseite des Bundesamts für Verkehr zum Dossier des Verlagerungsberichts 2017-2019. Dort ist auch die vollständige INFRAS-Studie verlinkt.
Medienbeiträge zur Studie (Auswahl):
- NZZ (13.11.2019)