Künstliche Intelligenz verbraucht viel Strom. Was, wenn KI-Rechenzentren in Länder ziehen, wo der Strompreis tiefer ist – weil es dort eine weniger hohe CO2-Bepreisung gibt? Zum globalen Potenzial von solchem Carbon Leakage hat INFRAS für das deutsche Umweltbundesamt eine erste Einschätzung gemacht.

Verlagert ein Unternehmen seine Tätigkeiten in ein anderes Land, weil dort wegen weniger ambitionierter Klimapolitik der CO2-Preis tiefer ist, wird von Carbon Leakage gesprochen. Weil der Standort eines KI-Rechenzentrums grundsätzlich flexibel ist, gibt es auch hier ein Potenzial von Carbon Leakage, da CO2-Preise den Stromverbrauch von Rechenzentren verteuern können.
Für das deutsche Umweltbundesamt (UBA) hat INFRAS zusammen mit dem Roegen Centre for Sustainability und der Hertie School Berlin dieses Potenzial untersucht. Die Studie bietet eine erste Bewertung zum Thema. Sie schätzt dabei u.a. den derzeitigen und künftigen Strombedarf von KI und bewertet die technische Machbarkeit sowie Plausibilität der Verlagerung von Rechenkapazität.
Frage nach freier Rechenkapazität ist standortbestimmend
Das Risiko von Carbon Leakage dürfte – momentan noch – begrenzt sein, wie die Studie zum Schluss kommt. Ein wichtiger Grund ist die Knappheit von Rechenkapazität und hohe Nachfrage nach mehr KI-Anwendungen: Eine strategische Verlagerung grosser Rechenaktivitäten ist in der aktuellen Wachstumsphase eher unwahrscheinlich. Ausserdem spielen andere, nicht-klimapolitische Faktoren eine Rolle: regulatorische Vorgaben für Rechenzentren und KI-Anwendungen oder Unternehmensstrategien.
Tempo beim Ausbau der Erneuerbaren ist wichtig
Zudem hält sich die Auswirkung der CO2-Bepreisung auf die Stromkosten in Grenzen – besonders im Vergleich zu generellen Strompreisdifferenzen wie z.B. zwischen den USA und Europa. Da Strom aus erneuerbaren Energiequellen künftig zunehmen wird, dürfte sich dieser Effekt noch weiter abschwächen.
Unsicherheiten gibt es aber: Sollten sich der Ausbau erneuerbarer Energien verlangsamen – zum Beispiel wegen der zweiten Trump-Administration in den USA – wäre eine Zunahme von Carbon Leakage denkbar. Darüber hinaus könnte das Wachstum von Rechenzentren die Dekarbonisierung anderer Sektoren wie Verkehr und Industrie verlangsamen, weil sie um erneuerbaren Strom konkurrieren.
Die erste Bewertung zur Thematik zeigt zwar, dass die Wahrscheinlichkeit von Carbon Leakage bei KI-Rechenzentren aktuell begrenzt ist. «Gerade die US-Wahlen im Herbst 2024 zeigen aber, dass sich die politischen Voraussetzungen für den Ausbau erneuerbarer Energie auch rasch wieder ändern können», sagt INFRAS-Projektleiter Nicolas Schmid. «Für eine klimafreundliche Entwicklung von KI ist es entscheidend, dass der Strom dafür aus erneuerbaren Quellen kommt.»
Die Studie identifiziert zahlreiche offene Fragen und ein Bedarf für weitere Forschung. Der Bericht formuliert daher auch eine Forschungsagenda für weitere Analysen und gibt politische Empfehlungen, um potenzielle Carbon-Leakage-Risiken zu verkleinern.
Weitere Informationen:
- Schlussbericht (Englisch, mit deutscher Zusammenfassung)
- Medienmitteilung UBA
- UBA: Carbon Leakage
Die Studie in den Medien:
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INFRAS ist bei der Initiative Digital Climate Innovation (vormals Climate Ledger Initiative) engagiert. Sie sucht nach innovativen, digitalen Lösungen für den Klimaschutz und verbindet so die Themen Digitalisierung und Klima.