Netzstrategie motorisierter Individualverkehr

Das regionale Basisstrassennetz Bern-Mittelland auf dem Prüfstand

19. Januar 2024

Kann die Stadt Bern den Bahnhofplatz für den motorisierten Individualverkehr (MIV) sperren? Braucht es aus regionaler Sicht einen Autobahn-Halbanschluss Grauholz? Und wie soll das Strassennetz der Region Bern-Mittelland künftig aussehen? Diese und weitere Fragen hat INFRAS für die Regionalkonferenz Bern-Mittelland erörtert.


Bahnhofplatz Bern: Könnte unter der Voraussetzung geeigneter Alternativen aus dem regionalen Basisstrassennetz entlassen werden. (Foto: Keystone-SDA)
Bahnhofplatz Bern: Könnte unter der Voraussetzung geeigneter Alternativen aus dem regionalen Basisstrassennetz entlassen werden. (Foto: Keystone-SDA)

Alle fünf Jahre aktualisiert die Regionalkonferenz Bern-Mittelland (RKBM) ihr Regionales Gesamtverkehrs- und Siedlungskonzept (RGSK). Das sogenannte regionale Basisstrassennetz stellt dabei eine Grundlage zur Teilstrategie Verkehr des RGSK dar. Das Netz stellt die strassenseitige Erreichbarkeit der Gemeinden sicher, ebenso der Entwicklungs- und Erholungsschwerpunkte, von verkehrsintensiven und weiteren Einrichtungen sowie der multimodalen Drehschreiben.

Mögliche Anpassungen für die Zukunft

Das Netz stammt aus dem Jahr 2016. Es galt das Netz auf seine Funktionalität zu prüfen und gegebenenfalls anzupassen, in Vorbereitung auf die fünfte Generation des Aggloprogramms und dem dahinter stehenden RGSK. Zu den möglichen Anpassungen bestanden auch konkrete Fragestellungen in einzelnen Netzabschnitten.

Systematische Schwachstellenanalyse als Grundlage

Bevor einzelne Anpassungen am Basisstrassennetz geprüft wurden, galt es, eine umfassende Analyse der Schwachstellen im Netz aufzustellen. Dazu wurden verschiedene Kriterien nicht nur aus dem Bereich Verkehr, sondern auch aus den Bereichen Siedlung und Umwelt operationalisiert. Grundlage dafür war u.a. die Anwendung des gerade aktualisierten Gesamtverkehrsmodells vom Kanton Bern.

Die so erstellten Schwachstellenkarten wurden dann in einem mehrstufigen Verfahren plausibilisiert und verbessert. Dazu wurde neben der Diskussion mit der Begleitgruppe eine Online-Befragung bei allen 76 Gemeinden der Region Bern-Mittelland durchgeführt. Im Ergebnis der Analysen zeigte sich, dass das bestehende Basisstrassennetz im Verbund mit den Nationalstrassen die Funktionalitäten gut erfüllt, die ihm zugedacht sind.

Prüfung spezifischer Netzanpassungen

Neben der Analyse der grundsätzlichen Funktionalität des Netzes waren spezifische Anpassungen zu prüfen. Dazu gehörten u.a.:

  • Bahnhofplatz Bern: Welche Folgen hätte eine Sperrung des Bahnhofplatzes für den MIV-Durchgangsverkehr und könnte er allenfalls aus dem Basisstrassennetz entlassen werden?
  • Viktoriarain Bern: Falls eine neue Tramachse via Lorrainebrücke und Viktoriarain geführt würde, könnte dann der MIV auf den Viktoriarain verzichten?
  • Riedmoosstrasse Niederwangen/Bern: Könnte auf die Riedmoosstrasse im regionalen Basisstrassennetz verzichtet werden?
  • Parallelführungen im Netz: Das historisch gewachsene Netz verfügt über einige parallel geführte Strecken. Könnten diese aus dem Basisstrassennetz gestrichen werden?
  • Autobahn-Halbanschluss Grauholz: Die Region möchte nochmals prüfen lassen, welche Vor- und Nachteile ein Halbanschluss an der A1 am Grauholz und welche Auswirkungen dieser Anschluss auf das Basisstrassennetz hätte.

Fazit: Zusätzliche Netzanpassungen sind möglich

Nur aus der Schwachstellenanalyse heraus hat sich kein Anpassungsbedarf am regionalen Basisstrassennetz der RKBM gezeigt. Es wären aber durchaus einige Netzanpassungen möglich:

  • Der Bahnhofplatz Bern könnte dann aus dem Netz entlassen werden, wenn der bei einer allfälligen Sperrung unvermeidliche Ausweichverkehr geeignete Alternativen zur Verfügung hätte. Neben dem ÖV und allenfalls auch dem Velo als Umsteigealternative müssten sowohl die Achse Stadtbachstrasse-Parkterrasse wie auch die Autobahn dafür gerüstet werden. Dann aber könnte der Bahnhofplatz sein städtebauliches Potenzial entfalten.
  • Bei einer Sperrung des Viktoriarains wären die umliegenden Quartiere vor Ausweichverkehr zu schützen. Dieser Ausweichverkehr könnte gut via Nordring geführt werden.
  • Die Riedmoosstrasse muss nicht zwingend Bestandteil des Basisstrassennetzes sein, sollte aber bei Störfällen auf der Autobahn als Ausweichroute verfügbar bleiben.
  • Bei den Parallelführungen gibt es tatsächlich Strecken, die inzwischen durch Gemeindefusionen vor allem innerörtliche Funktionen übernommen haben. Diese Strecken müssten nicht mehr zwingend Bestandteil des regionalen Basisstrassennetzes sein.
  • Beim Halbanschluss Grauholz zeigen sich aus Sicht der Region einige Vorteile, insbesondere durch Entlastungen von innerörtlichen Strecken in den umliegenden Gemeinden. Würde ein solcher Halbanschluss realisiert werden, dann müsste die Länggasse zwischen Ittigen und Zollikofen in das Basisstrassennetz aufgenommen werden.

Weitere Informationen

Der Fachbericht zur Aktualisierung des regionalen Basisstrassennetzes wurde zusammen mit der Empfehlung der Kommission Verkehr der RKBM zu den allfälligen Netzanpassungen anfangs November 2023 in die Mitwirkung gegeben. Diese dauert bis Ende Januar 2024. Danach werden die Gremien der Region entscheiden, wie sie mit den allfälligen Netzanpassungen umgehen werden.

Informationen zur Mitwirkung und auch den Fachbericht zum Download finden Sie hier:

Zusammen mit dem Fachbericht hat INFRAS auch ein Grundlagenpapier zum Umgang mit Temporeduktionen für die RKBM verfasst:

Projektteam

Lutz Ickert Bereichsleiter, Partner
Matthias Tischler Wissenschaftlicher Berater

Projekt

Aktualisierung des regionalen Basisstrassennetzes MIV der RKBM

Laufzeit

2022 - 2024

Themen


Leistungen


Auftraggeber

Regionalkonferenz Bern Mittelland

Kontakt

Lutz Ickert Bereichsleiter, Partner